Hightech fürs Herz

Weltraumerprobtes Know-how im Klinik-Einsatz

Per Zufall gefunden: „Memory Metall“

1962, als NiTinol kreiert wurde, ahnte noch niemand, dass die Legierung einmal in den Weiten des Alls ebenso erfolgreich anwendbar sein würde, wie in ganz kleiner Dimension, bei der Behandlung von winzigen Kinderherzen. Damals suchte die US-Marine lediglich nach einer Legierung, die korrosivem Meerwasser trotzen konnte und magnetisch schwer zu orten war – und fand eine Mischung aus Nickel und Titan, die den Namen NiTinol bekam (Nickel Titanium Naval Ordnance Laboratory). Die entscheidende Besonderheit dieser Legierung war in den 60er-Jahren – wie so oft – zufällig ans Tageslicht gekommen: Arbeiter der US-Marine wollten Platten aus dieser Nickel-Titan-Mischung an den Rumpf eines Unterseebootes nieten. Sie erhitzten die Platten, um sie formbar zu machen. Doch statt sich zu verformen, sprangen die Platten in ihre ursprüngliche Form zurück. Aus dem vermeintlichen Unglück wurde eine bahnbrechende Entwicklung: NiTinol war als „Metall mit Gedächtnis“ entdeckt worden.

Die NASA erkannte das Potenzial dieser „intelligenten“ Legierung schnell: Sie entwickelte aus dem „Memory Metall“ NiTinol ein Drahtgeflecht, das sich im Weltraum zu einer Satellitenschüssel entfalten konnte. Damit wurde ein großes Problem der Weltraumforschung gelöst: Denn um Satelliten ins All zu schicken, müssen sie zunächst verpackt werden und bestimmte Bauteile dürfen sich erst in der richtigen Position wieder entfalten. Mit NiTinol konnte das Satelliten-Sonnensegel für den Transport ins All beliebig zusammengefaltet werden – vor Ort gewann es seine ursprüngliche Form wieder zurück.

Metall mit Gedächtnis schafft Durchbruch in der Medizin

Was in den unendlichen Weiten des Weltalls klappt, funktioniert auch in der unvergleichlichen Winzigkeit einer Arterie: Mitte der 1990er-Jahre entdeckte in den USA der österreichische Wissenschaftler Professor Kurt Amplatz dieses Material mit Formgedächtnis für die Behandlung von angeborenen Herzfehlern. Er produzierte aus NiTinol eine Schirmprothese (den so genannten Amplatzer Okkluder), mit der gefährliche Löcher zwischen den Herzscheidewänden schonend und sicher verschlossen werden können. Die NiTinol- Implantate waren ein Durchbruch in den bereits Jahrzehnte dauernden Bemühungen, ein sicheres Implantat für den nichtoperativen Verschluss des Vorhofscheidewanddefektes zu entwickeln. „Der Einsatz von NiTinol war ein Quantensprung für die Behandlung von derartigen Herzfehlern“, so sieht es auch Professor Dr. Felix Berger vom Deutschen Herzzentrum in Berlin. „Denn NiTinol ist universell einsetzbar und eignet sich sogar für die Behandlung von Kindern ab dem zweiten Lebensmonat.“

Intelligenter Verschluss für das Loch im Herzen

Wenn beispielsweise ein Kind mit einem Loch im Herzen zur Welt kommt, das entweder auf der Trennwand zwischen den Vorhöfen oder zwischen den beiden Herzkammern liegt (Vorhofseptumdefekt oder Ventrikelseptumdefekt), dann kann es im Laufe seines Lebens zu erheblichen Beschwerden kommen. Auf Dauer kann ein solcher Defekt zu Atembeschwerden, Herzrhythmusstörungen oder sogar zu Herzversagen führen. Noch bis in die 80er-Jahre hinein war in solchen Fällen eine Operation am offenen Herzen notwendig. Während dieses Eingriffs unter Vollnarkose musste die Herz-Lungen- Maschine die Arbeit des ruhiggestellten Herzens übernehmen.

 Heute erfolgt der Verschluss dieses Defektes – dank NiTinol – durch einen viel weniger aufwändigen Kathetereingriff. Professor Berger erklärt den Vorgang: „Das NiTinol-Schirmchen mit einem Durchmesser von etwa 30 bis 35 Millimeter wird verformt und in eine kleine Hülse gesteckt. Diese wird dann durch einen Katheter von gerade einmal sieben Millimetern Durchmesser von der Leiste zum Herzen geführt und hochpräzise über dem Loch platziert. Bei Erwärmung auf Körpertemperatur konfiguriert sich das Schirmchen auf Grund des Gedächtniseffektes der Nickel-Titan-Legierung selbst zurück in seine ursprüngliche Form und kann so platziert werden, dass es das Loch im Herzen exakt verschließt. Keine große Operation, nicht einmal eine Vollnarkose, das Ganze dauert etwa eineinhalb Stunden und hinterlässt kaum Spuren. „Und das Beste“, so Berger, „die meisten Kinder mit einem behandelten Vorhofscheidewanddefekt werden als ,geheilt’ entlassen. Lediglich regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind notwendig.“

Im Berliner Herzzentrum wurden in den vergangenen Jahren bei mehr als 1.800 Patienten solche Verschlüsse mit Amplatzer- Okkludern mittels Kathetertechnik durchgeführt. Doch Prof. Berger und sein Team in der Klinik für angeborene Herzfehler im Deutschen Herzzentrum in Berlin denken bereits weiter: „Ein NiTinol- Schirmchen bleibt ein Leben lang im Körper des Patienten, obwohl es eigentlich schon nach wenigen Monaten nicht mehr gebraucht wird. Denn nach und nach breitet sich körpereigenes Gewebe über dem Implantat aus und integriert es in die Herzscheidewand. In diesem Bereich forschen wir intensiv weiter. Unser Ziel sind Materialien, die sich im Herzen auflösen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden“, so der Klinikdirektor. Dabei ist die Verbindung zur Raumfahrt sicherlich noch weiter ausbaubar – man ist nicht auf Zufälle angewiesen, dessen ist sich

Der Benzinpumpe des Spaceshuttle abgeschaut

Eine weiterer Berührungspunkt zwischen Medizin und Weltraumforschung ist bereits ausgemacht: Wenn Kinder mit einem besonders schweren Herzfehler zur Welt kommen und sie auf Dauer nur durch eine Transplantation gerettet werden können, setzt die Suche nach einem Spenderherzen ein. Für Kinder sind sie besonders rar. Um Wartezeiten zu überbrücken, suchen Spezialisten nach wie vor nach einem optimalen mechanischen Herzunterstützungssystem. Gemeinsam mit der NASA entwickelte der amerikanische Herz- und Gefäßchirurg Prof. Michael DeBakey die so genannte Micromed Axialflusspumpe, ein künstliches Herz aus Titanstahl. In Berlin wurde sie 1998 dem ersten Patienten eingesetzt. Die NASA hatte diese Technologie ursprünglich für die Benzinpumpe für das Spaceshuttle entwickelt.

Das Kunstherz wiegt 125 Gramm und ist sehr klein. Mit zehn- bis zwölftausend Umdrehungen pro Minute pumpt es vier bis sechs Liter Blut äußerst geräuscharm vom Herzen in den Körperkreislauf. Die bisherigen Kunstherzen wiegen das Zehnfache, sind sehr viel unsicherer und infektionsanfälliger. Gerade für herzkranke Kinder ist diese neue Technik eine weitere Chance auf Überleben, denn für die herkömmlichen Pumpen sind ihre winzigen Herzen viel zu klein.

Die Spezialisten des Deutschen Herzzentrums haben bereits 1990 einem Kind ein Kunstherz implantiert und sich auf diesem Gebiet weltweit einen Namen gemacht. Zur Implantation von Säuglingsund Kinderherzpumpen, dem so genannten Berlin Heart, das von der Syscore AG als weltweit einzigartiges System zum Langzeiteinsatz bei Kleinkindern (Excor Pediatric) hergestellt wird, werden Herzchirurgen und Kardiotechniker des Deutschen Herzzentrums bei Notfällen auch weltweit in ausländische Kliniken gerufen.

Das Kunstherz im Blick

Prof. Berger wagt einen weiteren Blick in die Zukunft: „Bisher übernehmen künstliche Herzen lediglich die Funktion der linken oder auch beider Herzkammern während der Überbrückungszeit bis zur Herztransplantation. Mit der Entwicklung neuer Materialien, der technischen Weiterentwicklung und der Miniaturisierung der Systeme rückt der Einsatz von Kunstherzen zur Langzeit- und Dauernutzung in den Bereich des Möglichen und entwickelt sich zur echten Alternative gegenüber einer Transplantation.“ Bereits 2001 entwickelten die Wissenschaftler des Deutschen Herzzentrums ein Kunstherz, das nicht nur „teilimplantiert“ werden kann, sondern vollständig.

Beim teilimplantierbaren Kunstherzen wird die Pumpe mit ihrem Antrieb in den Körper eingesetzt. Die Energieversorgung ist außerhalb des Körpers mit der Pumpe verbunden. Wird dieses Kunstherz komplett implantiert, so werden alle Komponenten, wie die aufladbare Batterie und die Kontrolleinheit, in den Körper eingesetzt, ganz ohne Verbindung nach außen. Die Energie wird durch die geschlossene Hautoberfläche übertragen. Dieses Incor-System verfügt über ein neues magnetisches Antriebssystem, das es ermöglicht, die Größe des Kunstherzens um ein Drittel zu reduzieren. So wird es in Zukunft auch für Kinder mit einem irreparablen Herzfehler angewandt werden können.

„Ich kann mir auch auf diesem Gebiet eine Zusammenarbeit mit der internationalen Weltraumforschung sehr gut vorstellen …“, so Prof. Felix Berger. Und er fügt hinzu: „Natürlich kommen wir bei derart großen und bahnbrechenden Projekten nicht ohne Unterstützung von außen aus. Denn die Forschung auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler ist immer mit hohen Kosten verbunden, die in einem normalen Kliniketat nicht vorgesehen sind. Daher ist es für uns sehr hilfreich, die Stiftung KinderHerz Deutschland an unserer Seite zu wissen. Sie unterstützt uns bei unseren Bemühungen, die Bedingungen und Behandlungsmöglichkeiten für Kinder mit einem angeborenen Herzfehler dauerhaft zu verbessern und hilft uns so, das Leben von immer mehr unserer kleinen Patienten zu retten.“

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