Anton – wenn das Herz Achterbahn fährt

„Das Leben mit einem herzkranken Kind ist wie eine Achterbahn.“ Brinja Berg weiß genau, wovon sie spricht: Ihr Sohn Anton wurde mit einem schweren Herzfehler geboren – seit acht Jahren kämpfen sich der tapfere kleine Junge und seine Eltern durch viele Höhen und Tiefen. 

Alles ist perfekt: Brinja Berg und ihr Mann sind frisch verheiratet und erwarten ihr erstes Kind. Der werdenden Mama geht es gut, eine Schwangere wie aus dem Bilderbuch. Ihr Glück ist vollkommen. Bis zu dem Tag, an dem sie erfahren, dass ihr Kind einen schweren Herzfehler hat.

Und plötzlich ist alles anders

Als Brinja und Nils Berg in der 28. Schwangerschaftswoche erfahren, dass ihr ungeborenes Kind einen schweren Herzfehler hat, bringt das ihre Welt mächtig ins Wanken. „Bis zu diesem Tag waren alle Untersuchungen in Ordnung. Nichts deutete darauf hin, dass unser Sohn nicht gesund ist. Darum ist es auch wie Hurrikan über uns hereingebrochen, als bei einem Routinetermin auf einmal Anomalien an Antons Herz festgestellt wurden.“ Umgehend überweist der Gynäkologe Brinja Berg an einen Kardiologen und der bestätigt den Verdacht: Truncus arteriosus communis (TAC) mit Ventrikelseptumdefekt lautet die niederschmetternde Diagnose – eine seltene Fehlbildung, bei der die Aorta und Lungenschlagader nicht getrennt aus den beiden Herzkammern entspringen, sondern das Blut aus dem Herzen über ein gemeinsames Gefäß zu den Lungen und in den Körperkreislauf gelangt. Die Gewissheit, dass ihr Kind schwer krank ist, legt sich wie ein Schatten über das große Glück der werdenden Eltern und belastet die bis dahin unbeschwerte Schwangerschaft.  „Die Prognosen waren mehr als düster. Zwar ist dieser komplexe Herzfehler operabel, aber weil Anton für die schwere OP einfach viel zu klein und zu leicht war, rechnete man ihm keine hohen Überlebenschancen aus", erinnert sich Brinja Berg. Sogar der Abbruch der Schwangerschaft stand im Raum, da die Ärzte zudem auch eine Chromosomenanomalie vermuteten. „Aber für uns war immer klar: Wir geben nicht auf und kämpfen. Für und mit Anton.“

Ein Sorgenkind im Mutterleib

Die Wochen bis zur Geburt sind von vielen Untersuchungen beim Spezialisten in Minden und den unermüdlichen Bemühungen geprägt, Anton im Mutterleib zu stärken: „Das größte Problem war, dass er kaum zugenommen hat, für die geplante Entbindung per Kaiserschnitt aber mindestens 2000 Gramm wiegen musste. Die Ärzte haben uns immer wieder gewarnt, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, dass er als Frühchen geboren wird oder er es vielleicht auch gar nicht schafft.“ Aber Anton schafft es: In Minischritten nähert er sich dem Geburtsgewicht – eine emotionale Tour de Force für die angehende Mutter. „Alles drehte sich nur noch um Werte und Daten. Vor jedem Termin hatte ich Angst, dass er wieder nicht schwerer geworden ist. Aber ich wollte unbedingt den Kaiserschnitt, um Anton die Strapazen einer natürlichen Geburt zum ersparen.“ In der 39. Schwangerschaftswoche ist es dann so weit: „Bei der Messung wog Anton 2080 Gramm und ich werden den Moment nie vergessen, an dem der Arzt mir sagte: Herzlichen Glückwunsch Frau Berg, heute werden Sie eine Mami“, blickt Brinja Berg zurück. Die Geburt verläuft gut – Anton braucht nur ein wenig Starthilfe beim Atmen, muss aber nicht intubiert werden. „Auf der Intensivstation haben wir unseren Sohn dann zum ersten Mal richtig gesehen – er war einfach perfekt, trotz der ganzen Kabel und Monitore um ihn herum.“ Auch in der Zeit nach der Geburt ist der tägliche Kampf um Antons Gewicht das beherrschende Thema, mit dem die lebensrettende Operation steht oder fällt.  „Er musste unbedingt noch mehr zulegen, damit sie überhaupt durchgeführt werden kann.“ Drei Monate dauert es, bis er endlich so kräftig ist, dass seine glücklichen Eltern ihn sogar bis zum Eingriff mit nach Hause nehmen dürfen. Allerdings währt die Freude nur kurz: Weil nach drei Wochen Symptome darauf hinweisen, dass Antons kleine Lunge mit Blut überflutet ist und sein Körper nicht ausreichend sauerstoffreiches Blut erhält, muss umgehend interveniert werden. „Das war schon ein Schock. Denn auch wenn wir natürlich wussten, dass die Operation auf Anton wartet, waren wir nicht darauf vorbereitet, dass wir unser Kind so schnell wieder hergeben müssen. Wir hatten uns so gewünscht, dass wir mehr Zeit mit ihm haben und er mehr Zeit hat, noch stärker zu werden für den Eingriff.“

Die erste Operation

Sieben Stunden dauert die OP im Herzzentrum Bad Oeynhausen, in der die Kinderherzspezialisten die fehlentwickelte Lungenschlagader mit einem kleinen Röhrchen, dem sogenannten Conduit, mit der rechten Herzkammer verbinden und das Loch in der Herzscheidewand mit einem Flicken schließen. Eine Zeit, die sich für Brinja Berg und ihren Mann Nils endlos anfühlt. „Das Leben deines Kindes liegt wortwörtlich in den Händen anderer Menschen, du weißt nicht, was passiert und ob du dein Kind zurückbekommst – etwas Schlimmeres kann man sich kaum vorstellen.“ Doch dann kommt endlich der erlösende Anruf und die Eltern dürfen zu Anton auf die Intensivstation. Viel Zeit zum Durchatmen bleibt ihnen nicht: Weil die postoperative Blutung nicht aufhört, muss Antons Brustkorb sofort noch einmal geöffnet werden, um die Ursache zu beheben. „Eigentlich sollte das schnell gehen, aber aus einer Stunde wurden zwei und wir wussten nicht, was da gerade geschieht. Zum Glück wurden wir mit unserer Angst aber nicht alleingelassen: Es war so wichtig, dass zwischendurch eine Ärztin rauskam, um uns zu beruhigen und uns genau zu erklären, warum es so lange dauert, die Blutung zu stillen. Und dann hat es auch nicht mehr lange gedauert und wir konnten wieder rein zu unserem Sohn.“ Zwei Wochen muss Anton danach noch zur Überwachung auf der Intensivstation bleiben, bis er auf die normale Kinderstation verlegt wird. „Als wir entlassen wurden, war das wie eine Wiedergeburt, ich hatte das Gefühl, dass unser Leben jetzt erst richtig losgeht.“

Nach der Geburt ist Anton stabil, aber noch ein wenig zu leicht.

Anton hat die erste OP an seinem kleinen Herzen gut überstanden.

Mit zwei Jahren muss Anton ein weiteres Mal operiert werden.

Auch die dritte OP hat Anton gut überstanden.

Ein glückliches Kinderleben trotz Rückschlägen

In den kommenden Jahren entwickelt sich Anton prima:  Mit einem unbändigen Lebenswillen wächst er zu einem fröhlichen und lebhaften Kind heran. „Aber wir waren uns die ganze Zeit darüber bewusst, dass noch weitere Operationen anstehen, wenn das Conduit irgendwann zu klein wird und getauscht werden muss.“ Und als Anton zwei Jahre alt ist, wird genau dieser Eingriff notwendig: Wieder durchleben Brinja und Nils Berg viele Stunden bangen Wartens, bis Anton aus dem OP kommt. „Kurz danach musste die Nahtstelle noch mal mit einem Katheder geweitet werden, aber bei diesem Eingriff durfte ich dabei sein. Das war für mich und für Anton eine ganz wichtige Erfahrung, dass ich ihn dabei begleiten konnte und aktiv einbezogen wurde.“ Lange Jahre hält das neue Conduit gut Schritt mit Antons Wachstum und er kann sein unbeschwertes Kinderleben genießen: Er kommt in die Schule, spielt Fußball, ist im Turnverein und macht sein erstes Rettungsschwimmabzeichen beim DLRG. „Es macht uns so glücklich, wie toll sich unser Kind entwickelt nach diesem Start ins Leben.“ Über seinen Herzfehler spricht er ganz offen mit anderen, auch seine Narben zeigt er ohne Scham als sichtbare Zeichen seines Überlebenskampfes. „Das ist seine Art, mit seiner Krankheit umzugehen und das Erlebte zu verarbeiten.“ Aber es gibt auch Rückschläge: Kurz vor seinem achten Geburtstag muss Anton wegen einer Endokartditis wieder ins Krankenhaus – im Herzzentrum versuchen die Ärzte alles, um sein angegriffenes Herz zu stärken und die lebensgefährliche Infektion in den Griff zu bekommen. Danach wird in einer dritten OP das Conduit noch einmal ausgetauscht. „Mehr als sieben Wochen waren wir in der Klinik. Und dieses Mal hat Anton alles ganz bewusst miterlebt: Er hat mir, den Ärzten und dem Pflegepersonal Löcher in den Bauch gefragt, weil er alles immer ganz genau wissen wollte. Richtig gut war auch, dass er die Möglichkeit hatte, in dieser langen Zeit Kontakt zur Schule zu halten – so hat er nicht zu viel Unterrichtsstoff verpasst und das Lernen sorgte für ein Stück Normalität im Krankenhaus.“

Ein Kämpfer mit einem starken Herzen

Drei große Operationen und mehrere Eingriffe in acht Jahren, die Angst als ständiger Begleiter – das ist für die ganze Familie eine enorme Belastung. „Das Leben mit einem herzkranken Kind ist wie eine Achterbahn und ich weiß, dass unsere Fahrt noch nicht am Ende ist. Es können immer wieder unvorhergesehene Komplikationen auftreten und früher oder später wird Anton eine weitere Prothesenersatzoperation benötigen, wenn er ausgewachsen ist. Aber er ist ein echter Kämpfer und hat ein starkes Herz, dass schon so viel ausgehalten hat. Auch wenn es uns manchmal viel Kraft kostet, verlieren wir nie den Mut und schauen positiv nach vorne: Egal, was in Zukunft noch auf uns wartet – wir werden auch das als Familie zusammen durchstehen und überstehen. Denn das haben uns die vergangenen Jahre gelehrt: Egal, wie schlecht die Chancen auch standen, weil wir den Kampf nie aufgegeben haben, konnte etwas ganz Wunderbares entstehen: unser Anton.“

Ein glückliches Kind: Antons Entwicklung begeistert alle.

Immer aktiv: Anton ist nicht zu bremsen.

Eine echte Wasserratte: Anton zeigt stolz sein erstes Schwimmabzeichen.

Hoch hinaus: Anton hat noch ganz viel vor.

Die ganze Familie im Fokus

Ein angeborener Herzfehler ist oft eine langwierige Erkrankung, die nicht nur die kleinen Patienten stark beeinträchtigt, sondern auch die Eltern und Geschwister jeden Tag beschäftigt. Sie machen sich Sorgen um das kranke Kind, haben natürlich Angst oder fühlen sich überfordert. Um Familien in ihrer schwierigen Lebenssituation zu stärken und diese große Belastung aufzufangen, legt das Herzzentrum Bad Oeynhausen im Rahmen einer neuen Studie den Fokus gezielt auf eine ganzheitliche familienorientierte Versorgung:  Die Familien werden aktiv in den medizinischen Prozess eingebunden und psychologisch begleitet, um gemeinsam Lösungen für auftretende Probleme zu finden. Diese Herangehensweise, die bisher in Deutschland nur an wenigen Orten umgesetzt wird, bietet zahlreiche Vorteile. Durch die familiäre Betreuung kann der enorme Stress, den die herzkranken Kinder und ihre Familien im Alltag oft erleben, deutlich reduziert werden. Und das wirkt sich positiv auf den Heilungsverlauf aus und verbessert die Aussichten der kleinen Patienten auf ein erfülltes und gesundes Leben.

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